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 Die Geschichte des silbernen Raben

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Die Geschichte des silbernen Raben Vide
BeitragThema: Die Geschichte des silbernen Raben   Die Geschichte des silbernen Raben Icon_minitimeDi Dez 07, 2010 8:50 pm

Die Geschichte des silbernen Raben Ngddojy4

Im April des Jahres 1865 beginnt die Chronik eines alten Wolfs, der damals als Welpe das Licht der Welt erblickte. Hesapa nennt ihn seine Mutter; "Schwarzes Gebirge" ist die Bedeutung. Der junge Wolf fragte sie nie, weshalb er er diesen Namen erhielt, er fand ihn weder schön noch hässlich. Um Namen schert sich eine Persönlichkeit nicht, wenn sie ihn von Beginn des Denkens an trägt.
Hesapa war mitnichten ein Einzelkind. Wie die meisten anderen Wölfe konnte er seine jungen Jahre mit mehreren Geschwistern teilen. Hoka hatte schon sehr früh einen Platz in seinem Herzen ergattert.


Ich bin so jung, und die Welt ist so alt.

"Hoka war für mich der Dreh- und Angelpunkt meines jungen Lebens. Sie bedeutete mir gleichermaßen so viel, wie meine Mutter und doch liebte ich sie anders. Uns verband eine tiefe Geschwisterliebe, die von Anfang an auf Harmonie und Verständnis gebaut war. Seltsam, dass wir uns immer so ganz ohne Worte verstanden.
Meine Schwestern waren mir wichtig, keine Frage. Aber sie hatten eigene Pläne, halfen sich gegenseitig oder spielten mit unserem Vater, dem damaligen Alpha des Rudels. Hoka und ich spielten miteinander, halfen uns und trugen Strafen immer gemeinsam, da wir jede Missetat zusammen begingen. Wenn einer von uns traurig war, sangen wir gemeinsam zum Mond oder lagen still nebeneinander, um die Gedanken des anderen zu teilen.
Alle im Rudel mochten uns, wenngleich wir manchen Frevel begingen und Dummheiten anstellten. Ich könnte heute sagen, dass unsere Gemeinsamkeit und Vertrautheit viele Wünsche und Erinnerungen in den Gedanken der Altwölfe loslöste. Sie straften uns selten."


Die Zeit bis zum Winter überlebte eine von Hesapas Schwestern nicht. Sie starb unter den Hufen einer Rentierherde, als die Welpen auf Entdeckungstour gingen. Das war auch die Zeit, als Hesapa die ersten Menschen zu sehen bekam. Zuerst glaubte er, einem nackten Bären zu begegnen. Weil Hoka und er bereits einmal einem verärgerten Petz über den Weg gelaufen waren, machten sie sich schleunigst aus dem Staub, um das seltsame Wesen aus der Ferne zu beobachten. Sie erkannten, dass es die Rentierherden trieb und kontrollierte.


Der wahre Feind steht immer vor uns, wir sehen ihn nur nicht.

"Eine natürliche Angst hielt uns vom Menschen fern. Wir merkten zwar schnell, dass er eine furchtbar schlechte Nase und ein noch schlechteres Gehör hatte, aber Augen hatte er gute. Wir merkten spät, dass er uns entdeckt hatte, seine Bewegungen waren so undurchschaubar. Aber der lange Eisenstab, der auf uns zielte, bewegte uns zur endgültigen Flucht. Wir waren noch jung, brauchten nun den Schutz unserer Mutter. In der Nacht begannen die Geschichten und wir Jungwölfe wurden über die Gefahren belehrt, die durch den Menschen in das Land gekommen waren.
Unser Rudel hatte fast jedes Jahr den angestammten Platz verlassen müssen, weil Wilderer einbrachen und immer wieder Familienmitglieder töteten. Ihre Feuerrohre waren schneller als unsere Beine."


Natürlich blieb diese Begegnung nicht die einzige ihrer Art. Viele Menschen liefen Hoka und Hesapa über den Weg, doch nie machten sie ihnen Schwierigkeiten. Die jungen Wölfe verhielten sich still und zurückhaltend, die Geschichten hatten ihnen großen Respekt eingebleut.
Während des Winters starb eine weitere Schwester Hesapas. Nun waren Hoka und er allein und doch gemeinschaftlich stark. Sie schlossen sich mehr denn je zusammen.
Erst im dritten Jahr ihres Lebens machten sie eine unangenehme Erfahrung mit den Menschen. Wie berichtet brachen nach vier Jahren Ruhe erneut Wilderer und Jäger in den Wald. Eine Treibjagd war angesetzt worden und gut die Hälfte der Wölfe fiel dieser zum Opfer. Hoka und Hesapa verloren sich für drei Tage aus den Augen, denn erst nach verronnener Zeit wagten es beide, sich zu rufen. Die Überbelibsel des Rudels waren verstreut und von zehn Familienmitgliedern waren fünf geblieben.

Der Gegensatz zur Pflicht ist nicht die Pflichtlosigkeit, sondern die Verantwortung.

"Vater war bei der Hetzjagd schwer verletzt worden. Er konnte gehen, doch nach drei Tagen war er schwächer, als er in schlimmster Krankheit je gewesen war. Alle sahen seinen Tod nahen, auch er selbst. Ich, als sein ältester lebender Sohn blieb übrig, die Rolle des Anführers zu übernehmen. Es war eine stumme Übereinkunft aller verbliebenen Rudelmitglieder, zu denen nur Hoka, meine Mutter, mein jüngerer Bruder und eine Tante zählten. In tiefer Trauer über all die Toten verweilten wir an der Grabstätte unseres Vaters und Anführers und sangen zum Mond.
Der nächste Morgen spendete uns Kraft, einen neuen Anlauf zu wagen. An der Seite meiner Mutter begann ich das Rudel zu leiten. Ich verstand langsam die Erhabenheit meines Vaters, die ich immer bewundert hatte. Aber auch die Strenge, die ich nun unserem jüngsten Rudelmitglied entgegenbringen musste, erhielt für mich einen neuen Glanz."


Hesapa reifte in seiner Position des Anführers zu wahrer Größe. Immer unterstützt von seiner deutlich gealterten Mutter und Seite an Seite mit seiner Schwester beging er selten schwerwiegende Fehler.
Die umherziehende Fähe Alawa war die erste, die der junge Alpha als familienfremdes Rudelmitglied akzeptierte. Sie schenkte dem kleiner werdenden Rudel den ersten Wurf Welpen und machte Hesapa zum Vater. Durch dieses Ereignis wurde die Bindung zu Hoka etwas gelockert, wenn auch niemals gelöst. Nachts teilten sie sich einen Schlafplatz, Hesapa gebührte es, zwei Fähen an seine Seite zu stellen.
Die Würfe kamen nun jährlich, immer wieder wuchs das Rudel. Söhne Hesapas wanderten ab, Töchter blieben. Nur Wiyaka, sein erstgeborener Sohn blieb dem Rudel treu, mit der erblich bedingten Aussicht, einmal Anführer des Rudels zu werden. Nie hatte der älter werdende Vater Streit mit ihm, der jüngere wartete geduldig und mit viel Liebe zu seinem Vater.


Ein alter Adler ist stärker als eine junge Krähe.

"So glaubte ich auch, als ich mich nach langer Suche über ein totes Reh hermachte. Wiyaka hielt die Stellung bei meinem Rudel, ich versuchte ihn langsam, in eine höhere Position zu heben. Nebenbei beschäftigte ich mich mit dem Aufstöbern von Wild, das wir letztlich gemeinsam jagten. Der Hunger aber ließ mich rasten und der Kadaver bot sich an. Die bereits speisenden Krähen waren für mich kein Hindernis - ich jedoch für sie. Verärgert flogen die schwarzen Kobolde in die Wipfel, als ich mich an ihrem Mahl vergriff. Nach kurzer Zeit wurden sie aufdringlicher, flatterten um meinen Kopf herum und verlangten nach Fleisch. Ich jedoch gab es ihnen nicht und verjagte jede Einzelne.
Als die Krallen einem Blitz gleich durch mein Augenlicht fuhren, biss ich heulend um mich. Ich erwischte den Übeltäter und zerfetzte ihn vor Wut und Schmerz, während mein Auge im Blut die Welt rot sah. Wie ich war rannte ich blind vor Schmerz zurück und folgte mit meiner zerissenen Nase notdürftig meiner Spur. Den Blutgeruch werde ich nicht mehr vergessen."


Hesapas Augenlicht war nicht mehr zu retten und schwand schnell. Die Linse trübte ein, die Fleischwunde von Nase bis Ohr verheilte und wurde zu einer dünnen Linie. Bald nannte er sich selbst nur noch Ravenscar, der alte Wolf nahm es mit Humor. Die anderen Wölfe fielen ein und machten es zur Gewohnheit.
Die körperlichen Narben waren gerade verheilt, da ereilte seine Schwester ein plötzlicher Tod. Ravenscar wusste nie, weshalb seine Schwester von ihm gegangen war, doch der Schmerz traf ihn entsetzlich tief.


Das, was dem Leben Sinn verleiht, gibt auch dem Tod einen Sinn.

"Sie schrie und stürzte, mitten in einer bis dahin erfolgreich verlaufenden Jagd. Der Ton ließ mich sofort stoppen, ich hatte etwas Vergleichbares niemals aus ihrem Fang vernommen. Heute weiß ich nicht, ob ich hätte etwas ändern können, wenn ich gewusst hätte, was es war. Ihr Herz musste urplötzlich versagt haben, als ich ankam lag sie still. Dass Hoka ebenfalls gealtert war, das hatte ich bemerkt. Aber noch nicht so alt! Nicht so alt für einen plötzlichen Tod.
Plötzlich stand ich vor einem sichtbaren Ende, in mir kühlte jede Wärme und Liebe aus. Wohin war die Freude verschwunden?
Wir blieben dort, wo Hoka gestorben war und sangen in der Nacht unsere traurigsten Lieder zum Mond. Der Rest des Rudels ließ mich am Morgen allein, ich legte mich neben sie und nahm still Abschied, so wie wir uns oft stumm unterhalten hatten. Es war nicht tröstlich, denn ich spürte, dass ihr Geist den toten Körper bereits verlassen hatte. Mir blieb nichts übrig, als meinen Rudelgefährten zu folgen. Hoka würde auf mich warten, ich spürte mich selbst nun viel deutlicher."


Ravenscar sah dies als Zeitpunkt, Wiyaka die volle Verantwortung für das Rudel zu überlassen. Sein Sohn hatte sich geschickt und verständnisvoll angestellt und würde diese Aufgabe meistern wie sein Vater. Dieser verweilte noch ein ganzes Jahr beim Rudel und versuchte, seine Trauer zu verarbeiten. In dieser Zeit starb auch seine Gefährtin Alawa, was sein erschöpftes Herz nicht mehr wahrhaben wollte. Nun bemerkte er den Unterschied zwischen den beziehungen zu den Fähen. Wiyaka trauerte sehr um seine Mutter, doch das Rudel überstand auch diesen Verlust. Nur Ravenscar sah als Altwolf seinem Abgrund entgegen.


Erst am Ende unseres Weges stehen die Antworten.

"Ich spürte das Ziehen in meiner Brust, bei Gehen, beim Atmen, ja sogar beim Denken. Der Tod holte mich heim zu Hoka und Alawa und ich folgte meinem vorgezeichneten Weg bereitwillig. Wiyaka ließ mich ungern gehen, nachdem er schon seine Mutter verloren hatte. In der Nacht hörte ich ihre Trauerlieder für mich singen, meine Ära war vorüber. Mein Herz weinte bittere Tränen und glühte doch gleichzeitig in Erwartung. Es war zu viel Zeit vergangen, seit ich Hoka das letzte Mal an meiner Seite gespürt hatte.
Meine Wanderung jedoch schien ihren Zweck nicht erfüllen zu wollen. Nicht einmal der eisige Winter brachte mir einen stillen Tod und ich ging unglücklich weiter. Ohne Rudel und ohne meine Liebsten, es ist furchtbar. Nun warte ich immer noch, auf meinen wohlverdienten Tod."
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